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Wenn ungeklärte Muster die ideale Kommunikation und das befreite Sprechen verhindern.

Corona. Ein Slowdown, eine Zeit der Innenschau, zumindest für mich. Ich habe mich viel – wie sollte es auch anders sein in meinem Beruf –  mit Kommunikationsfragen beschäftigt, wie ich noch klarer und befreiter sprechen kann, wie ich besser Grenzen ziehen kann und wie ich mit meinen „Arschengeln“ umgehe, wie sie Robert Betz so treffen bezeichnet. Die Menschen, die uns triggern, unseren wunden Punkt treffen und in meinem Falle oft verstummen lassen.

Nun möchte man meinen, dass eine Stimm- und Sprechtrainerin alles gehört und gelernt hat, aber es gibt auch bei mir Situationen, wo Vera Birkenbihl und Schulz von Thun an ihre Grenzen kommen. Zu verstehen, was in diesen Momenten passiert, ist das eine – warum es passiert und wie ich mir da raushelfe, steht auf einem ganz anderen Blatt und hat für mich viel mit Innerer-Kind-Arbeit, familiären Mustern und Konditionierungen, Schattenarbeit, tiefer Innenschau, persönlichen Glaubenssätzen und „wie ich nach Außen wirken wollte“ zu tun. Alles Themen, die in einem Sprechwissenschaftsstudium an der Uni nie behandelt wurden und für die ich niemals Zeit aufgebracht hätte, wenn mich Corona oder die Regierung nicht an mein Sofa gefesselt hätten.

Natürlich hat mich Kommunikation schon immer beschäftigt. Berufsschicksal. Eine spirituelle Frau sagte mir vor einem Jahr mal – interessant, dass du diesen Beruf gewählt hast, du wolltest wohl dein Halschakra öffnen. Für alle, die noch nie von den 7 Hauptchakren im Körper gehört haben, nur so viel – es gibt sie und das Halschakra steht unter anderem für befreite Kommunikation und Stimme. Und ich wusste sofort – das ist wahr. Angefangen bei meiner Familie, wo es immer laut und poltrig zur Sache ging, wo man schnell zum Punkt kommen musste und kaum tiefe Gespräche entstanden, weil einfach niemand die Ruhe dafür hatte. Wo oft harte Worte fielen und „nicht getadelt“ das Lob bedeutete. In der Schule hatte ich Probleme vor der Klasse zu sprechen. Ich war nach Vorträgen fix und fertig und neigte auch zu leichtem Stottern, wenn der Lehrer mich zum Sprechen aufforderte  und ich unsicher war. Interessanterweise war das beim Singen nicht so. Singen war leicht für mich und sich dabei vor Menschen zu präsentieren auch kein Problem. So kam es, dass man mich schon in der fünften Klasse im Chor in die erste Reihe schob, um Soli zu singen. Ich schaffte es durch das Singen meine Sprechhemmungen abzubauen. Später sang ich vor tausenden von Leuten auf einer Ostseebühne und das erforderte schon ein gehöriges Maß an Mut, innerer Aufgeräumtheit und Selbstbewusstsein. Das Singen führte, mit all seinen Höhen und Tiefen, die diese Branche mit sich bringt, dazu, dass mir das Sprechen vor Menschen später wie ein Klacks vorkam. Wenn irgendjemand mal je als Opernsänger unterwegs war, wird er verstehen, was ich meine. Gesang ist eine Punktlandung. Kein Ton revidierbar und das macht das Ganze so herausfordernd. Beim Sprechen kann ich den Satz oder das Wort wiederholen, wenn es nicht passend war. Die Sprechtechnik (Atmung, Haltung, Aussprache) hatte ich mittlerweile tief inhaliert und die richtigen Worte kann man einstudieren. Ein Klacks.

Und doch. Auch bei mir gibt es, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich, die lieben Arschengel, die alle Technik zu Nichte machen, die meinen rationalen Verstand vollkommen ausklicken und die mich in den Überlebensmodus einer Zweijährigen fallen lassen. Bei mir sind das vor allem forsch, laut und zurechtweisend auftretende Menschen. Und sollte das vorher auch mein bester Freund gewesen sein, wenn er diese Mischung wählt, erstarre ich wie das Reh vorm Auto. Mir kommen die Tränen hoch und ich will am liebsten weglaufen oder gefriere ein. Später kommt dann manchmal auch Wut, dass ich zurückschieße, je nachdem in welcher Position ich mit dem anderen stehe. Fakt ist – ich bin nicht ich selbst. Ich kann in diesen Momenten nicht denken. Vielleicht kennst du das. Bei dir muss sich das nicht genauso äußern, vielleicht wirst du eher aggressiv oder bekommst körperliche Symptome, wie Schwitzen, Durchfall, Magenprobleme oder du wirst zum totalen Wunscherfüller für den Anderen. Oder du „verdrückst“ dich blitzschnell und übergehst die Lösung. Wir sind bei unseren „Arschengeln“ in unserer frühkindlichen Prägung hängen geblieben. Frag dich, woher du diese Situation kennst, wann du dich das erste Mal so gefühlt hast. Oftmals sind es Situationen aus unserer Kindheit mit unseren engsten Angehörigen. Wir waren damals so abhängig von diesen Personen, dass wir ein Muster einstudiert haben, um geliebt und versorgt zu werden. Bei mir war es: Wenn dich jemand anschreit, hart mit dir spricht oder dich bevormundet, dann sage nichts und weine! Das funktioniert teilweise noch heute in meiner Familie so. Wenn sie mich lange genug triggern, sodass ich die Fassung verliere und weinen muss, dann bekomme ich wieder Liebe und Verständnis von ihnen. Nun können wir ja nicht jedes Mal in Tränen ausbrechen, wenn unser Chef, Kollege oder Familienangehöriger seine drei mal fünf Minuten hat.

Es müssen auch gar nicht immer extrem verurteilende Situationen sein, auf welche wir stark irrational reagieren. Manchmal triggern uns auch Verhaltensweisen á la jemand ist zu langsam (Autofahrer), jemand ist zu hektisch und zu schnell in allen Abläufen (damit triggere ich oft Menschen :D), jemand hat uns nicht gegrüßt oder schaut uns nicht in die Augen (er ignoriert uns vermeintlich), jemand lässt uns nicht ausreden, jemand ist sehr Meinungsstark und „drängt“ sich in den Vordergrund und so weiter. Fakt ist – wir reagieren über, unverhältnismäßig mit Tränen oder wir implodieren mit Rückzug, Schockstarre und Selbstverurteilung.

Wie schaffen wir es nun aus diesem irrationalen Reaktionsmuster heraus, wenn unser Verstand in diesem Moment nicht helfen kann? Die halbe Miete ist tatsächlich schon, diese Muster zu erkennen. Wahrzunehmen – oh da triggert mich jemand, ich handle nicht mehr rational, ich werde emotional oder ich bekomme körperliche Symptome, die mir deutlich machen, dass da eine Grenze überschritten wurde. Diese Symptome können sein: Tränen steigen auf, unbändige Wut steigt auf, Traurigkeit, Resignation, vermehrtes Schwitzen, lauter oder leiser sprechen als normal, wegschauen, sich wegsehnen (wo ist das Loch im Boden), verstummen, bockig werden, um nur ein paar zu benennen. Also finde heraus, was deine Reaktionen sind. Fange vielleicht mit den stärksten und auffälligsten Situationen an, die kannst du am „leichtesten“ zuordnen.

Und dann gehe in dich, was genau dich gerade triggert. Dieses „in sich gehen“ und sich selbst befragen, war für mich die schwerste und neueste Aufgabe. Wir sind geprägt von unserer rationalen Welt und wollen alles mit dem Verstand klären, aber der kann uns da nicht immer helfen. Jedoch kommen wir an unsere tiefsten Dämonen nur durch Innenschau heran. Und wie mache ich das konkret? Nun da gibt es tatsächlich zahlreiche Möglichkeiten: Meditation, Reise zum Inneren Kind, Schattenarbeit, Glaubenssätze analysieren, die innere Weisheit aktivieren, Selbstliebe, Fasten, vegane Ernährung usw. Das mag jetzt vielleicht ziemlich esoterisch und postmodern für dich klingen und das klang es für mich am Anfang auch, aber je mehr man sich mit diesen Themen beschäftigt, desto aufgeräumter wird man! Believe me! Eva- Maria hat für diesen Prozess mal eine schöne Wortschöpfung gefunden. Wir müssen uns „Be-Eltern“! Um uns selbst kümmern, um unseren tiefsten Schmerz kümmern, wie es ein Elternteil mit einem Kind tun würde. Ich will gar nicht so genau auf die einzelnen Methoden eingehen, denn da gibt es wirklich gute Experten. Ich merke nur, je mehr sich ein Mensch mit diesen Themen auseinandersetzt, desto erfolgreicher ist auch das Stimm- und Sprechtraining. Denn ein aufgeräumter Geist, hat eine aufgeräumte Sprache.

Wenn du nun deinen Triggern und inneren Dämonen auf die Spur gekommen bist – Gratulation! Denn der Effekt ist – du kannst wieder sanft und mitfühlend mit dir sein, du verstehst, dass dein Verhalten mal einen Sinn hatte und dir lange gedient hat, du nun aber erwachsen bist und für dich einstehen kannst.

Der nächste Schritt ist dann die Grenzen zu ziehen. Mir haben dabei vorgefertigte Sätze geholfen, die ich immer wieder verinnerliche und übe. Solche Sätze wie:

Du überschreitest eine Grenze!

So nicht!

Das darf doch nicht wahr sein!

Das ist doch jetzt nicht dein Ernst!

Was soll das?

Das lasse ich nicht zu!

Das geht gar nicht!

Finde da gern einen für deine typischen Triggersituationen passenden Satz. Es muss nicht meiner sein. Wichtig ist, dass du diese Sätze wirklich für dich übst, wenn du dazu neigst nichts zu sagen, runter zu schlucken, zu erstarren. Dieser Satz wird dann in der jeweiligen Situation laut ausgesprochen. Gepaart mit einer klaren, starken Körpersprache, einer souveränen Stimme und einem festen Blick, wird dein Gegenüber inne halten. Und da sind wir wieder beim Stimm- und Sprechtraining. Solltest du Hilfe brauchen, um deiner Stimme die nötige Ernsthaftigkeit zu verleihen, dann weißt du, wo du dich melden kannst 😉 ! Fakt ist aber, ohne deine innere Haltung und dein inneres Standing nützt das beste Körpertraining und die beste Sprechtechnik nichts.

Nach diesem Satz – ich würde ihn ruhig eine kleine Weile stehen lassen – kannst du entweder genauer ausführen, was jetzt die Grenzüberschreitung für dich war oder du schaust, wie dein Gegenüber reagiert. Oftmals reicht der erste Satz schon, um beim Anderen zumindest ein Inne halten zu erzeugen. Er muss sich auch noch gar nicht für sein Verhalten entschuldigen. Es reicht, dass du ihm gezeigt hast, dass er deine Grenze überschritten hat. Er wird in Zukunft „vorsichtiger“ oder achtsamer mit dir sein. Manchmal musst du diese Sätze auch ein paar Mal sagen, damit der andere dein „Territorium“ versteht.

Du kannst auch die Situation zurückspulen, wenn es dir wieder mal passiert sein sollte, dass dich jemand ausgeknockt hat. Überlege dir, wie du in deinen Augen souverän reagiert hättest. Und tue das wirklich oft, damit es sich in deinem Unterbewusstsein einprägt. Dieses unterscheidet nämlich nicht zwischen Wahrheit und Fiktion. Schreibe die Geschichte neu für dich. Übrigens auch eine super Übung um sich eine perfekte Präsentation in der Zukunft oder dein ideales Leben im Allgemeinen zu visualisieren. Also was vorwärts funktioniert, funktioniert auch rückwärts. Toll oder?

Und der letzte Schritt – Anwenden. Es braucht Mut, ich weiß, aber von jetzt an, siehst du deinen Arschengel als Trainingsterrain für deine Weiterentwicklung. Weiche diesen Menschen nicht mehr aus. Sei dein eigener Chairman. Du schaffst das. Wenn du Unterstützung brauchst- here I am!

Diese Strategie funktioniert vor allem in Situationen, wo du aus dem Affekt heraus handelst, wo dich jemand unmittelbar triggert und deine Grenze hart durchbricht.

Wie du mit „sanften“  aber dauerhaften Grenzüberschreitungen umgehst, erfährst du im nächsten Teil!

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