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Umgang mit Feedback und Kritik

Umgang mit Feedback und Kritik

Ein kleiner Igel hat sich auf einer Kuhweide verirrt. Er ist
den ganzen Tag auf der Suche nach Nahrung gewesen und findet jetzt nicht mehr
zu seinem warmen Bau zurück. Nach einem schier endlosen hin und her Wandern
bleibt er schließlich erschöpft reglos liegen. Als er schon dachte, jetzt kann
es nicht mehr schlimmer werden, kommt eine Kuh und entleert sich direkt über
dem Igel, sodass er gänzlich von einem Kuhfladen bedeckt wird. Vollkommen
entkräftet schläft der Igel ein. Was er nicht weiß: In der Nacht gibt es einen
Wintereinbruch und die Temperaturen fallen in die Minusgrade. Normalerweise
würde der Igel erfrieren, aber eingehüllt in den Kuhhaufen übersteht er die
Nacht geschützt. Am nächsten Morgen hat er genug neue Kräfte gesammelt, um sich
weiter auf die Suche nach seinem Bau zu machen.

Diese vielleicht etwas naive Geschichte hörte ich einmal auf
einem Seminar zum Thema Umgang mit Kritik. Sie soll uns auf eine bildliche
Weise verdeutlichen, dass es nicht jeder schlecht mit uns meint, der uns mit
Scheiße bewirft. Im Gegenteil: Oft ist Kritik nur ein verschlüsseltes Lob, denn
der Kritisierende will etwas in bzw. an uns verändern. Er macht sich den
Aufwand, uns eine Reflexion seines Eindruckes zu vermitteln. Vielleicht kennen
Sie auch den Ausdruck – einen toten Hund tritt man nicht. Man kritisiert nur
Menschen, bei denen man Hoffnungen hat, dass sie etwas an sich verändern
können. Natürlich ist nicht immer jede Kritik gerechtfertigt und in jedem Falle
höchst subjektiv, denn kein Mensch kann beanspruchen, die Welt objektiv
wahrzunehmen.

Aber Kritik kann auch sehr wertvoll sein. Sie kann uns
wachsen lassen und im “schlechtesten” Falle dazu veranlassen, einen
neuen Weg einzuschlagen. Ich stelle bei meinen Studenten fest, dass sie
manchmal große Angst vor meiner Stimmanalyse haben. Immerhin könnte ich Ihnen
sagen, dass sie für ihren Beruf ungeeignet sind. Aber ist das nicht auch ein
großes Glück? Ist es nicht besser zu wissen, woran man ist, als am Ende des
Studiums festzustellen, dass man fünf Jahre lang einen Weg eingeschlagen hat,
für den man nicht geeignet ist? Natürlich ist dies das Horrorszenario eines
jeden Lehramtsstudenten und meistens tritt es gar nicht ein. Jedoch spüre ich,
dass viele Studenten mit Angst im Studium leben, Angst nicht alles richtig zu machen, Angst Fehler zu machen, Angst vor Feedback und Kritik.

Vor einer Woche war ich als Co-Trainerin auf einem
Führungskräfteseminar zum Thema Stimme. Der Umgang mit Kritik – oder nennen wir
es besser Feedback – hat mich unglaublich fasziniert. Ich zweifelte, ob ich als
junge Berufseinsteigerin einem Firmenchef mit 30 Jahren Berufserfahrung
sinnvoll kritisieren kann. Doch erstaunlicherweise bekam ich für jede
Rückmeldung, die ich dem Teilnehmer gab, große Dankeshymnen. Ich spürte einen
regelrechten Hunger nach Feedback. Ein Teilnehmer sagte mir dann: “Wenn
man ganz oben in der Führungsebene arbeitet, dann hat man niemanden mehr, der
sich traut ehrliches Feedback zu geben. Aber wir machen auch nicht immer alles
richtig und deswegen bin ich für jedes ehrliche Feedback unsagbar dankbar.”

Fakt ist, dass wir durch Fehler das Meiste lernen. Wenn wir
immer alles richtig machen würden, dann verlören wir unsere Aufmerksamkeit,
würden nachlässig werden. Auch unsere kreative Schöpferkraft würde nachlassen,
wenn alles tadellos liefe. Denn Not macht ja schließlich erfinderisch.

Trotzdem ist es für viele unangenehm, kritisiert zu werden.
Wie können wir also besser mit Kritik umgehen?

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig zu hinterfragen, von
wem man kritisiert wird. Oft trifft uns die Kritik von Menschen, die uns sehr
nahe stehen, oder von denen wir viel halten, am härtesten. Manchmal ist es aber
auch möglich, dass die Kritik gar nicht einem selbst gilt, sondern dass es ein
verstecktes Bedürfnis des Gegenübers ist. Das betrifft meistens Auseinandersetzungen
in der Familie oder der Partnerschaft. Dabei sollte man sich immer fragen –
Habe ich jetzt wirklich etwas falsch gemacht oder spricht da eine persönliche
Befindlichkeit meines Kritikers? In welcher Stimmung wird die Kritik geäußert.
Ist mein Kritiker vielleicht gerade nur gestresst, emotional oder beleidigt?

Schauen Sie, wie sachlich die Kritik ist. Und nehmen Sie sie
auch genauso. Es geht um die Sache, eine Eigenschaft oder Handlung – nicht um
Sie als Person. Es geht darum, etwas ins Positive zu verwandeln und Sie nicht
als Person zu verdammen.

Bedenken Sie auch stets, dass Kritik immer subjektiv ist.
Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Gegenüber eine sehr spezielle Wahrnehmung
hat, dann holen Sie ruhig eine weitere Meinung ein.

Wichtig erscheint mir auch für sehr impulsive Menschen,
nicht sofort auf das Feedback zu reagieren. Es kann helfen, nicht direkt in die
Konfrontation zu gehen, sondern “etwas Gras über die Sache wachsen zu
lassen”. Je nachdem, wie es die Situation hergibt. Nach ein paar Tagen
kann das Ganze vermutlich gelassener gesehen und vielleicht auch das Gute an
der Rückmeldung erkannt werden.

Im Worst Case hilft oft, die Situation aus einem anderen
Blickwinkel zu betrachten bzw. sich vorzustellen, wie man in fünf Jahren über
die Kritik denkt. In meinem Falle zum Beispiel, wenn ich dem Studenten sagen
muss, dass er stimmlich ungeeignet für den Lehrerberuf ist und damit den
Studenten in eine tiefe Krise stürze. Es gibt nun für ihn verschiedene
Handlungsmöglichkeiten. Er kann meine Kritik ignorieren, verdrängen und einfach
weiter studieren. Meistens kommt dann aber der große Knall im Berufseinstieg.
Oder er versucht mit viel Arbeit seine Stimme von einem guten Logopäden oder
Stimmtrainer aufbauen zu lassen oder, die dritte Möglichkeit, er entschließt
sich noch einmal von vorn zu beginnen und einen anderen Berufsweg
einzuschlagen. Die Entscheidung liegt in seiner Hand. Fakt ist, dass er, wenn
er die Kritik ignoriert, sich immer wieder daran stoßen wird, für diese Sache
kritisiert wird und die Problematik vergrößert.

Ich selbst habe für mich festgestellt, dass jede
Bauchlandung, die ich mir geleistet hab, immer für irgendetwas gut war und mich
letztendlich vorangebracht hat, solange ich mich der Herausforderung gestellt
und mich nicht der Situation ergeben habe.

Versuchen Sie doch einmal, in jedes Training hineinzugehen
mit dem bewussten Vorsatz: Ich werde Fehler machen und das ist gut so. Ich will
ja noch besser werden und nicht stehen bleiben. Das kann ungemein entspannen.

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